Für den 31. März 2012 mobilisiert ein Bündnis antiautoritärer linker Gruppen und anarchosyndikalistischer Gewerkschaften in mehreren europäischen Ländern zu einem antikapitalistischen Aktionstag (vgl. GWR 366, S.20).
Die FAU gehört zum M31-Netzwerk, das die internationalen Proteste koordiniert. Die GWR befragte Torsten Stein, einen Aktivisten der FAU-Frankfurt zur Mobilisierung in Deutschland.GWR: Seit zwei Jahren gibt es heftige soziale Kämpfe in Griechenland, wo sich breite Teile der Bevölkerung gegen eine kapitalistische Verarmungspolitik der Troika, aus EU, EZB und IWF zur Wehr setzen. Wie entstand die Idee eines europaweiten Aktionstages?
FAU: Es begann mit Gesprächen am Rande der Nachbereitung der Aktionen gegen die Innenministerkonferenz im letzten Jahr, wo wir im sozialrevolutionären Krisenbündnis Frankfurt überlegten, eine große Solidemo für die kämpfenden Menschen in Griechenland zu organisieren.
Dabei wurde klar, dass auch andere Länder betroffen sind und wir in Europa etwas gemeinsam machen müssen, damit Widerstand Erfolg haben kann.
Also z.B. mit einem europaweiten Aktionstag zu starten, der sich nicht nur an den Folgen der Krise abarbeitet, sondern sich gegen den Kapitalismus richtet und eine gemeinsame Handlungsperspektive ermöglicht.
Da im September 2011 in Thessaloníki der “Kongress der Direkten Demokratie” stattfand, sind GenossInnen von “ums Ganze” und der FAU dorthin gefahren und haben diese Idee vorgestellt. Sowohl die Antiautoritäre Strömung (AK), die anarchosyndikalistische ESE als auch Basisgewerkschaften zeigten starkes Interesse und konnten sich eine Beteilung vorstellen. Daraufhin wurden die Schwestergewerkschaften der FAU in der IAA (Internationale Arbeiterassoziation) angesprochen und andere antiautoritäre Gruppen in Europa über die Idee eines gemeinsamen Aktionstages informiert. Mit dem positiven Feedback auf diese Anfragen wurde für den 10. Dezember 2011 zu einem europäischen Treffen nach Frankfurt eingeladen, auf dem die Durchführung des M31 beschlossen wurde.GWR: Wie breit ist das Bündnis inzwischen? Kannst du uns einen Überblick über die Organisationen geben, die in den verschiedenen Ländern Teil der M31-Mobilisierung sind?
FAU: In Griechenland sind es AK, ESE und verschiedene Basisgewerkschaften. Die ZSP (AnarchosyndikalistInnen) aus Polen ist dabei und alle Gewerkschaften der spanischen CNT. Weiterhin beteiligen sich autonome und antiautoritäre Gruppen u.a. aus Österreich, Italien, der Schweiz, Belgien, Slowenien und den Niederlanden. Das Bündnis wird in den nächsten Wochen noch wachsen. Auch die IAA ruft zu Aktionstagen vom 29. bis 31. März auf. Dabei dürften weitere Länder dazu kommen.
In Deutschland läuft es ebenfalls gut an. Es gab regionale und ein erstes bundesweites Treffen. Neben landesweiten Organisationen oder Bündnissen wie “ums Ganze”, “ÖkoLinX” und der “FAU” haben sich viele lokale Gruppen eingeklinkt. Auch Teile der Gewerkschaftslinken und der “Interventionistischen Linken” (IL) werden teilnehmen.GWR: In Südeuropa kommt es immer wieder zu großen Mobilisierungen, bei den von den staatstragenden Gewerkschaften ausgerufenen Streiks. Warum sind DGB-Gewerkschaften nicht Teil des Bündnisses?
FAU: Gerade haben ver.di und IG Metall auf ihren letzten Gewerkschaftstagen die Verteidigung des Standortes Deutschland bekräftigt! Das steht im Widerspruch zu unserem Ziel länderübergreifender und praktischer Solidarität.
Aber wenn sich Gliederungen oder Mitglieder der DGB-Gewerkschaften beteiligen wollen, sind sie herzlich willkommen. Die Grundlage unserer Zusammenarbeit im europäischen M31 Netzwerk ist, dass wir als unseren gemeinsamen Feind den Kapitalismus samt der ihn stützenden politischen Parteien und Gewerkschaften ansehen. Wir wenden uns gegen jede Form von Nationalismus und streben die Selbstverwaltung immer weiterer Teilbereiche der Gesellschaft und der Wirtschaft an. Auf Selbstermächtigung liegt die Betonung. In Spanien sind die sozialdemokratischen Gewerkschaften UGT und CC.OO übrigens nicht an den Protesten beteiligt. Sie halten die brutalen Einschnitte für nötig und haben den ArbeiterInnen empfohlen, den Gürtel enger zu schnallen. Dagegen mobilisieren die Gewerkschaften CNT, CGT, Coordinadora Sindical de Clase, SO, CO.BAS, Conferderación Intersindical und breite soziale Bewegungen – das 29-S-Netzwerk – für einen Generalstreik gegen die von der Regierung und der EU verordneten Verluste sozialer Rechte, Sozialpartnerschaft und Standortnationalismus.GWR: Habt ihr als M31-Netzwerk Kontakte zur occupy-Bewegung oder attac-Gruppen?
FAU: Es gibt zu beiden Kontakte, sowohl aus dem occupy Spektrum, wie von attac werden Menschen am M31 teilnehmen, aber insgesamt ist bei beiden eher eine Orientierung auf die Regulierung des Finanzsektors vorhanden und nicht auf die Überwindung des Kapitalismus.
GWR: Trotzdem habt auch ihr die Bankenmetropole Frankfurt als zentralen Ort für die bundesweite Mobilisierung gewählt.
FAU: Ja, weil hier die Europäische Zentralbank, ein zentrales wirtschaftliches und politisches Instrument der EU, ihren Standort hat. Die Troika aus EZB, EU- Kommission und IWF peitscht gemeinsam mit der deutschen und der französischen Regierung den gnadenlosen Abbau von Rechten der Lohnabhängigen und die Kürzung von Löhnen und Renten, bei gleichzeitiger Zerschlagung eines Gesundheitssystems für alle durch. Das Baugelände des neuen EZB-Palastes, verbunden mit der Gentrifizierung der umliegenden Stadtteile, stellt somit auch eine gute Symbolik dar – was uns wichtig ist, wird von ihnen zerstört, was ihnen wichtig ist, wollen wir einreißen. Das macht den Grundkonflikt deutlich.
GWR: Kann die Fokussierung auf die EZB nicht trotzdem dazu führen, dass nur “die bösen Banken” als das Problem gesehen werden?
FAU: Gerade weil wir die Forderungen, wie “Banken in die Schranken”, oder nach “besserer Regulierung des Finanzsektors” für politisch falsch halten, ha- ben wir uns für die EZB entschieden. Die Banken sind nur ein Teil des Systems und das wäre auch mit “regulierten Banken” nicht erhaltenswert.
Wir wollen das kapitalistische System nicht reformieren, sondern abschaffen. Wir wollen die EZB als Herrschaftsinstrument der Eliten in Europa politisch angreifbar machen. In Ländern wie Griechenland oder Portugal ist die EZB gerade als politisches Instrument wesentlich bekannter als bei uns. Bei ihr geht es nicht erstrangig um die Funktion einer Bank, sondern um die eines Werkzeuges, mit dem die lohnabhängige Bevölkerung ganzer Länder nach kapitalistischen Anforderungen ins Elend getrieben wird.
Als Beispiel seien die nach zwei Jahren sozialem Kahlschlag am 12. Februar 2012 im griechischen Parlament beschlossene weitere Kürzung der Löhne und Renten und die Kürzung des Mindestlohns auf 523,- Euro monatlich erwähnt. Weiterhin fordert die Troika dort 150.000 Entlassungen staatlich Bediensteter bis 2015. Die Bevölkerung eines ganzen Landes wird jeglicher Perspektive beraubt. Die beschlossenen dramatischen Verschlechterungen für die ArbeiterInnen in Spanien oder Portugal gehen in die selbe Richtung.GWR: Der 31. März soll der Beginn einer ganzen Reihe von Mobilisierungen in den beteiligten Ländern sein. Nun ist die FAU sowieso in der IAA organisiert und nimmt dadurch immer wieder an international koordinierten Aktionen und Arbeitskämpfen teil. Was ist das Neue am M31 Netzwerk?
Die IAA ist die anarchosyndikalistische Gewerkschaftsinternationale, also eine spezifische Organisation. Im Rahmen des M31 ist die politische Ausrichtung natürlich vielfältiger.
Zentral und neu ist, dass sich alle Beteiligten darauf verständigt haben, dem Abbau gesellschaftlicher und sozialer Rechte, dem Standortnationalismus und der Verarmungspolitik, eine antikapitalistische Perspektive und unsere gemeinsame Handlungsfähigkeit entgegenzusetzen. Damit ergibt sich eine neue Perspektive, die über die – aus gutem Grund – bestehenden Organisationen hinausgeht und uns eine größere Schlagkraft gibt, um uns gegen die zu erwartenden Auswirkungen der europäischen Krisenpolitik zu wehren. Ein Beispiel: Was meinst Du, wie die Bosse von Veolia-Environement staunen, wenn Widerstand gegen die geplante Privatisierung der Wasserversorgung von Thessaloníki nicht nur dort stattfindet, sondern europaweit und auch die 230 deutschen Niederlassungen plötzlich im Fokus stehen?GWR: Was erwartet ihr für den 31. März in Frankfurt?
FAU: Eine große, bunte, kraftvolle antikapitalistische Demonstration, zu deren Abschluß der Bauplatz des neuen EZB Palastes besetzt werden soll. Eine Institution EZB, deren Politik in der Folge in weiteren Kreisen diskutiert und damit als politischer Akteur angreifbar wird.
Interview: Leftéris Epanastátis
Aus: Graswurzelrevolution 367, März 2012 – www.graswurzel.net